Das OVG Sachsen rügt das LASuV wegen treuwidrigem Verhalten und formelhafter Begründung beim Sofortvollzug einer Fahrschulerlaubnis. Ein wegweisender Beschluss für Fahrlehrer mit eigener Fahrschule.
OVG Sachsen schützt Berufsfreiheit und rügt treuwidriges Verhalten der Behörde
In einem Beschluss vom 29. Januar 2025 (Az. 6 B 102/24) hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) das Vorgehen des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr (LASuV) scharf kritisiert – in gleich mehrfacher Hinsicht. Die Entscheidung ist für alle Inhaber von Fahrschulen von besonderem Interesse, denn sie betrifft nicht nur die formale Wirksamkeit eines Widerspruchs, sondern auch das Spannungsverhältnis zwischen Verwaltungsvollzug, gerichtlichem Eilrechtsschutz und dem grundrechtlich geschützten Recht auf freie Berufsausübung.
Der Anlass war der Widerruf einer Fahrschulerlaubnis, gegen den ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt worden war. Bereits im Februar 2023 teilte das Verwaltungsgericht Dresden der Behörde mit, dass es davon ausgehe, dass bis zur Entscheidung über den Antrag keine Vollzugsmaßnahmen erfolgen. Diese Erwartung war für alle Verfahrensbeteiligten eindeutig erkennbar – das Verfahren sollte bis zur gerichtlichen Entscheidung „auf Eis“ gelegt werden.
Dessen ungeachtet informierte das LASuV im Juli 2024 plötzlich alle Fahrerlaubnisprüfer – ausschließlich telefonisch – dass dem Antragsteller die Fahrschulerlaubnis fehle und seine Fahrschüler daher nicht mehr zur Prüfung zugelassen würden. 20 Prüfungstermine mussten abgesagt werden, die Fahrschule kam über Nacht zum Stillstand. Eine schriftliche Information an den Antragsteller oder seine anwaltlichen Vertreter erfolgte nicht. Ironisch daran: Die Behörde hatte zuvor selbst stets per eMail mit dem Anwalt kommuniziert – sich aber genau dieser Kommunikationsform plötzlich nicht mehr bedient, als es um den drastischen Eingriff in den laufenden Schulungsbetrieb ging.
Nur durch eine kurzfristig eingelegte Beschwerde beim OVG sowie einen zusätzlichen Antrag auf Zwischenverfügung konnte der drohende wirtschaftliche Totalschaden für den Antragsteller abgewendet werden. Das OVG reagierte prompt: Mit einem obergerichtlichen Hinweis forderte es die Behörde auf, bis 14 Uhr desselben Tages zu erklären, dass bis zur Entscheidung im Beschwerdeverfahren auf die Vollziehung verzichtet werde. Andernfalls würde das Gericht eine Zwischenverfügung zur Untersagung der Vollziehung erlassen. Daraufhin lenkte das LASuV ein und erlaubte wieder Prüfungen – bis zur eigentlichen Entscheidung vergingen jedoch fast sieben Monate. Ohne diese Intervention hätte die Fahrschule bis dahin wirtschaftlich kaum überlebt.
Der Beschluss des OVG enthält drei zentrale rechtliche Botschaften:
Erstens: Die Ablehnung der Wiedereinsetzung wegen eines angeblich formunwirksamen Widerspruchs hielt der gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Der Widerspruch war zwar tatsächlich nicht in der gesetzlich geforderten Form über das beA übermittelt worden, sondern per einfacher eMail. Dennoch stellte das OVG klar: Die Behörde hätte den erkennbaren Formmangel rechtzeitig mitteilen müssen. Zwischen Einreichung und Fristablauf lagen rund drei Wochen – genug Zeit, um auf einen heilbaren Fehler hinzuweisen. Dass die Behörde dies unterließ, obwohl sie die Eingabe technisch verarbeitet hatte, wertete das Gericht als treuwidriges Verhalten (§ 242 BGB) und als Verstoß gegen die behördliche Fürsorgepflicht. Die Wiedereinsetzung wurde daher gewährt.
Zweitens: Die Anordnung des Sofortvollzugs war nach Auffassung des OVG nicht ausreichend begründet. Die Behörde hatte lediglich erklärt, das öffentliche Interesse an der Abwehr weiterer Schäden überwiege das Interesse des Antragstellers. Dieser pauschale Hinweis wurde vom Gericht als formelhaft zurückgewiesen. § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verlangt eine konkrete, fallbezogene Begründung, insbesondere dann, wenn durch die Maßnahme existenziell wichtige Tätigkeiten untersagt werden. Was viele nicht wissen: Sofortvollzug bedeutet, dass ein Verwaltungsakt ungeachtet eines Widerspruchs oder einer Klage sofort wirksam wird – selbst, wenn er möglicherweise rechtswidrig ist. Für einen Fahrschulinhaber kann das bedeuten, von heute auf morgen keine Prüfungen mehr durchführen zu dürfen, Mitarbeiter freistellen zu müssen und laufende Kurse abbrechen zu müssen. Genau das war hier passiert – und genau das war nicht ausreichend gerechtfertigt.
Drittens: Die Behörde hatte argumentiert, es liege kein echter Eingriff in die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) vor, weil dem Antragsteller ja „nur“ die Fahrschulerlaubnis, nicht aber die Fahrlehrererlaubnis entzogen worden sei. Das OVG erteilte dieser Einschätzung eine klare Absage: Der Betrieb einer Fahrschule und die Tätigkeit als angestellter Fahrlehrer seien zwei unterschiedliche Berufe mit eigenen rechtlichen Zugangsvoraussetzungen. Die Entziehung der Fahrschulerlaubnis greife daher voll in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit ein. Diese Feststellung ist bemerkenswert deutlich – und dürfte auch für andere Behörden ein Anlass sein, ihre Rechtsauffassung zu überprüfen.
Fazit:
Der Beschluss des OVG Sachsen zeigt eindrucksvoll:
- Verfahrensrechte sind keine Formalien,
- Treuwidrigkeit durch Behörden kann zur Wiedereinsetzung führen,
- Begründungspflichten sind ernst zu nehmen – besonders beim Sofortvollzug
- und Berufsfreiheit bedeutet auch Schutz der wirtschaftlichen Existenz, nicht nur eines Arbeitsplatzes.
Dieser Fall zeigt: Es lohnt sich, für seine Rechte zu kämpfen – mit Sachverstand, Ausdauer und gerichtlicher Unterstützung.
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