Der Technische Überwachungsverein, sein Monopol und der Datenschutz – ein problematisches Verhältnis
Sammelt der TÜV rechtswidrig Fahrschuldaten?
Der TÜV als Monopolist
Im Bereich Fahrerlaubnisprüfungen gibt es nach dem Gesetz in den verschiedenen Bundesländern eine und nur eine Prüforganisation in Deutschland. Das ist in den meisten Bundesländern der Technische Überwachungsverein (TÜV) mit einer seiner Tochter- oder Schwestergesellschaften mit dem Kürzel TÜV im Namen.
Der TÜV hält damit in den meisten Bundesländern eine Monopolstellung im Bereich Fahrerlaubnisprüfungen inne. So auch in Baden-Württemberg als TÜV SÜD Auto Service GmbH. Denn, so teilte der Baden-Württembergische Verkehrsminister Hermann in seinem Schreiben vom 30. November 2018 mit:
„Gemäß § 10 Absatz 3 KfSachvG dürfen für denselben Bereich eines Landes nicht mehrere Technische Prüfstellen errichtet oder unterhalten werden. Eine Öffnung des Wettbewerbs wäre daher nur durch Bundesgesetz möglich. Ein Abweichen von den derzeitigen bundesrechtlichen Regelungen ist der Landesregierung nicht möglich.“
Das war die ernüchternde Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag Baden-Württemberg. Sie wollte wissen, wann und wie im Bereich Fahrerlaubnisprüfungen Wettbewerb hergestellt werden kann. Nun lehrt die Erfahrung, dass Monopole immer problematisch sind. Deshalb sind Monopole in der freien Wirtschaft nicht zulässig.
Datensammlung von nicht bestandenen Prüfungen (Durchfallquoten)
Wie uns aus mehreren Fällen bekannt ist, versucht der TÜV nicht nur mit fragwürdigen Methoden Fahrschulen in sein Online-System OSF2.0 zu drängen, sondern sammelt mit seinem Monopol für Fahrerlaubnisprüfungen auch Daten von Fahrschulen, deren Fahrlehrer Fahrerlaubnisbewerber zur Prüfung vorstellen.
Mit den gesammelten Daten werden Statistiken erstellt, die Durchfallquoten von Fahrschülern der einzelnen Fahrschulen ausweisen. Das geschieht nicht etwa anonymisiert, sondern unter Zuordnung zu den jeweiligen Fahrschulen. Nicht erfasst wird dabei der Ausbildungsverlauf, die Vorbildung, Herkunft und Befähigung der Fahrschüler, oder – nach unserer Erkenntnis – gar in welcher Fahrschule der Fahrerlaubnisbewerber ausgebildet wurde.
Vorstellende Fahrschule ist nicht zwingend die ausbildende Fahrschule
Nun kann man sich auf den Standpunkt stellen, es sei doch klar, wo der Fahrschüler ausgebildet wurde. Denn schließlich müssten die Bewerber bei der Prüfungsfahrt doch von einem Fahrlehrer oder einer Fahrlehrerin begleitet werden. Und jede(r) Fahrlehrer(in) benötigt schließlich ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Fahrschule und sei es der eigenen. Doch nicht immer gehört der oder die prüfungsbegleitende Fahrlehrer oder Fahrlehrerin der ausbildenden Fahrschule an.
Es gibt zahlreiche denkbare Fallgestaltungen, die zu einem Fahrschulwechsel unmittelbar vor der Prüfung führen können, sei es dass der ausbildende Fahrlehrer der Ein-Mann-Fahrschule dauerhaft arbeitsunfähig wird, seine Fahrschul- und Fahrlehrerlaubnis verliert oder dass der Fahrschüler aus finanziellen Gründen plötzlich die Fahrschule wechselt oder aus welchen Gründen auch immer.
Wenn nun ein Fahrschüler in der praktischen Prüfung „durchfällt“, geht dies als „nicht bestanden“ in die TÜV-Statistik ein und wird der Fahrschule zugeordnet.
Unklar ist dabei aber, welcher Fahrschule dieses Nichtbestehen zugeordnet wird. Fällt dies der Fahrschule zur Last, deren Fahrlehrer(in) ihn bei der Prüfungsfahrt begleitete und nicht der Fahrschule, die ihn tatsächlich ausbildete? Oder fällt dies der Fahrschule zur Last, die den Prüfling ausbildete, nicht aber der, deren Fahrlehrer ihn bei der Prüfung begleitete?
Solange diese Unklarheit nicht beseitigt ist, ist die Statistik über die Bestehens- und Nichtbestehensquoten – ungeachtet nachfolgender Betrachtung – wenig aussagekräftig.
Rechtsgrundlage für die Datensammlung: Fehlanzeige
Auf Anforderung einer Fahrschule, die von ihr erhobenen Daten dieser Art zu löschen, antwortete der TÜV SÜD:
„Insbesondere durch §§ 16-17 FeV ist die Technische Prüfstelle im Auftrag der entsprechenden Behörde verpflichtet, Fahrschulname und Fahrschuladresse zu verarbeiten.“
Diese Behauptung ist falsch. Der TÜV hat gemäß §§ 16 Absatz 3 Satz 7 und 8, 17 Absatz 5 Satz 6 FeV lediglich zu prüfen, ob der Abschluss der Ausbildung nicht länger als zwei Jahre zurückliegt. Mehr nicht. Danach hat er den Ausbildungsnachweis zurückzugeben oder die elektronische Mitteilung zu vernichten. Lediglich auf dem Antrag zur Erteilung der Fahrerlaubnis hat der Fahrerlaubnisbewerber gemäß § 21 Absatz 1 Satz 3 Nr. 2 FeV die ausbildende Fahrschule anzugeben. Das geht aber nur die Erlaubnisbehörde an.
Datenübermittlung Behörde an TÜV: Keine Rechtsgrundlage
Die aufgrund der Vorschrift des § 21 Absatz 1 Satz 3 Nr. 2 FeV erhobenen Daten dürfen von der Fahrerlaubnisbehörde nicht an den TÜV weitergegeben werden. Geschieht dies dennoch, ist das rechtswidrig.
Auf Anfrage teilte die Datenschutzbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen demzufolge mit, dass für die Übermittlung des Namens der ausbildenden Fahrschule an den TÜV keine Rechtsgrundlage bestehe. Denkbar sei allerdings, dass der TÜV den Namen auf andere Weise, zum Beispiel im Rahmen der Durchführung der Prüfung den Namen der Fahrschule erhalte. Die Verwendung der erhaltenen Information zu bestimmten Auswertungen sei in diesem Zusammenhang nicht zulässig, da dafür keine Rechtsgrundlage bestehe.
Scheinargument „Service für die Fahrschule“ und dessen Kehrseite
Zwar versucht der TÜV seine Datensammlung und -auswertung als „Service“ für die Fahrschulen zu verkaufen. Das wäre für die Fahrschule vielleicht ganz nützlich – wenn sie dies nicht schon selbst wüsste. Das ist bei Lichte betrachtet nichts anderes als ein Scheinargument.
Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass der TÜV die von den Fahrschulen erhobenen Daten und deren ungeprüfte Auswertungen den Erlaubnisbehörden übermittelt, ohne dass dafür eine Rechtsgrundlage besteht. Das kann man auch als rechtswidrige Datenübermittlung
bezeichnen. Die Behörden wiederum verwenden die Daten und deren Auswertungen ohne Prüfung, wie diese zustande gekommen sind, gegen Fahrschulen – in Einzelfällen auch zur Begründung eines Widerrufs der Fahrlehr- oder gar Fahrschulerlaubnis.
Doch hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Rechtsanwalt Dietrich Jaser
Experte für Fahrlehrerrecht (Verwaltungsrecht) deutschlandweit seit über 20 Jahren und 17 Jahre Fachautor
- Jura-Studium in Konstanz
- Referendariat in Konstanz, Luxemburg (Europäisches Parlament) und Günzburg
- Rechtsanwalt seit 1997
- Strafverteidiger seit 1998
- Fachanwalt für Arbeitsrecht seit 2003
- Referent für Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht, Seminarleiter seit 2002
- Spezialist für Fahrlehrerrecht seit 1999
- Fach-Autor beim Interessenverband Deutscher Fahrlehrer e.V.
- Mitglied im Berater-Team beim Bundesministerium für Verkehr
- Mitglied der Arbeitsgemeinschaften Arbeitsrecht, Strafrecht und Verkehrsrecht im Deutschen Anwalt Verein
- Mitglied im APRAXA Anwaltsnetzwerk
Kanzlei Domus Juris – www.domusjuris.de
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