Schlaganfall – das berufliche Aus für Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer?

Das muss nicht sein.

In meinem Beitrag vom 25.01.2022 wies ich darauf hin, dass ein Schlaganfall (med.: Apoplex) Auswirkungen auf die geistige oder körperliche Eignung zum Führen von KFZ haben kann. Das hat zur Folge, dass die Betroffenen nicht mehr zum Führen von Kfz geeignet sind. Für Fahrlehrer bedeutet das zunächst das berufliche Aus. 

Zwar können die Betroffenen nach erfolgreicher Therapie und Abklingen des akuten Ereignisses ohne Rückfallgefahr wieder zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sein. Das betrifft jedoch nur die Fahrerlaubnisklassen von Pkw (Klassen B/BE), Zweirädern (AM, A1, A2 und A) und landwirtschaftlichen Geräten (Klassen L und T), wobei auf letztere in diesem Beitrag nicht eingegangen wird. Für das Führen von Lkw (Klassen C, C1, CE und C1E), Omnibus (Klassen D, D1, DE und D1E) gilt diese Regelung jedoch nicht. Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Fahrlehrerlaubnis und meist dramatische Folgen für die Betroffenen.

Nach Schlaganfall keine Eignung mehr für Lkw/Bus

Nach der gesetzlichen Regelung in § 11 Absatz 1 des Fahrlehrergesetzes (FahrlG) muss seit 2018 jede Fahrlehrerin und jeder Fahrlehrer für den Fortbestand der Fahrlehrerlaubnis alle fünf Jahre die erforderliche körperliche und geistige Eignung nachweisen. Dies geschieht wie bei Beantragung der Fahrlehrerlaubnis entweder durch Vorlage eines (ärztlichen) Zeugnisses oder eines Gutachtens. Der Nachweis kann aber auch durch die Vorlage eines Lkw- oder Omnibus-Führerscheins erbracht werden, der nach 1998 erteilt worden sein muss und nicht älter als fünf Jahre sein darf oder innerhalb der letzten fünf Jahre verlängert worden sein muss (§ 11 Absatz 2 FahrlG). Nach einem Schlaganfall wird dies nicht mehr möglich sein.

Denn ein Schlaganfall ist eine Durchblutungsstörung im Gehirn und stellt im Sinne der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (FeV) eine „kreislaufabhängige Störung der Gehirntätigkeit“ dar (Nr. 6.4 Anlage 4 FeV). Problematisch ist dies insofern, als bei kreislaufabhängigen Störungen der Hirntätigkeit eine Eignung zum Führen von Kfz der Lkw- und Omnibus-Klassen nach einem Schlaganfall nicht mehr gegebenist. 

MPU grundsätzlich nur für Auto und Motorrad

Zwar ist für die Fahrlehrerlaubnis der Klassen A und B/BE der Besitz eines Lkw- oder Busführerscheins nicht mehr Voraussetzung. Gleichwohl müssen jedoch mindestens die für die Fahrerlaubnisklasse C1 erforderlichen geistigen und körperlichen Voraussetzungen erfüllt sein. Diese Regelung wird von den Erlaubnisbehörden rigoros angewandt. Das bedeutet, dass die Behörde, sobald sie von einem Schlaganfall erfährt, die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens im Hinblick auf die Fahreignung hinsichtlich Pkw, Motorrad etc. verlangen wird. Sofern der Schlaganfall und dessen geistige und körperliche Konsequenzen dort bestätigt werden, kann es sein, dass die Fahreignung hinsichtlich dieser Klassen möglicherweise ganz oder teilweise oder mit Hilfsmitteln erhalten bleibt. 

Auf die Fahreignung in den C- und D- Klassen und damit die Fahrlehrerlaubnis hat dies jedoch keine Auswirkung. Die Fahreignung in diesen Klassen ist nach einem Schlaganfall gemäß Nr. 6.4 der Anlage 4 zur FeV nicht mehr gegeben. Damit entfällt eine Voraussetzung für die Erteilung der Fahrlehrerlaubnis: die körperliche und geistige Eignung (§§ 2 Abs. 1 Nr. 2 und 11 Abs. 1 FahrlG). Die Folge daraus ist, dass die Fahrlehrerlaubnis von der Behörde widerrufen werden muss (§ 14 Abs. 2 FahrlG).

Ausnahmen sind möglich

Einen Lichtblick für den oder die Betroffenen gibt es dennoch: Denn in der Regel übersehen die Behörden die Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 FeV, wie jüngst in einem vom Autor dieser Zeilen geführten Verfahren geschehen. Vorbemerkung 3 lautet:

„3. Die nachstehend vorgenommenen Bewertungen gelten für den Regelfall. Kompensationen durch besondere menschliche Veranlagung, durch Gewöhnung, durch besondere Einstellung oder durch besondere Verhaltenssteuerungen und -umstellungen sind möglich. Ergeben sich im Einzelfall in dieser Hinsicht Zweifel, kann eine medizinisch-psychologische Begutachtung angezeigt sein.“

Grundsätzlich werden in den Fragestellungen, die die Behörden den Aufträgen zu medizinisch-psychologischen Begutachtungen zugrunde legen, keine solchen Zweifel auch nur ansatzweise in Erwägung gezogen. Darauf muss der Betroffene selbst drängen und sollte sich hierbei unbedingt eines fachlich versierten im Fahrlehrerrecht erfahrenen Rechtsanwaltes bedienen. Denn es kann durchaus sein, dass beim Betroffenen eine Ausnahme vom Regelfall, wie sie in Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 FeV angeführt ist, vorliegt. 

So verhielt sich dies auch im oben erwähnten Fall. Der Fahrlehrer hatte eine Lähmung der rechten Hand zu beklagen. Dies hinderte ihn aber nicht daran, auch Pkw mit Schaltgetriebe zu fahren. Die Behörde interessierte sich nicht dafür. Auch nicht für ein vom Fahrlehrer vorgelegtes Gutachten, das ihm bescheinigte, dass er in der Lage war, Pkw mit Schaltgetriebe zu fahren und dass eine solche Kompensation, wie in Vorbemerkung Nr. 3 zu Anlage 4 FeV geregelt, vorlag. 

Die Behörde erklärte das Gutachten des Verkehrsmediziners als nicht verwertbares „Privatgutachten“ (quasi als Gefälligkeitsgutachten) und widerrief die Fahrlehrerlaubnis des Fahrlehrers. Erst nach Klageerhebung und mithilfe des Verwaltungsgerichts erklärte sich die Behörde damit einverstanden, eine zusätzliche Begutachtung, interessanterweise bei demselben Verkehrsmediziner, der das „Privatgutachten“ angefertigt hatte, zu beauftragen. 

Nach erneutem Gutachten und einer Fahrprobe auf einem C1-Kfz, die ohnehin nur das bestätigten, was zuvor auch schon dargelegt worden war, wurde dem Fahrlehrer die Fahrlehrerlaubnis wieder erteilt.

Genau hinschauen und für sein Recht kämpfen lohnt sich

Der oben erwähnte Fall zeigt, dass es sich auch in hoffnungslos erscheinenden Fällen lohnt, genau hinzuschauen, um Fehler der Erlaubnisbehörde aufzudecken und für sein Recht zu streiten. Vor allem wenn es um den Widerruf der Fahrlehrerlaubnis wegen eines körperlichen oder geistigen Mangels im Sinne der Anlage 4 FeV geht. Denn deren Vorbemerkung Nr. 3 wird von den Behörden grundsätzlich übersehen und eventuelle Kompensationen nicht geprüft.

Dietrich Jaser

Rechtsanwalt 

Spezialist für Fahrlehrerrecht

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Strafverteidiger

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