Einen Schritt vorwärts, einen zurück – oder: Teilnehmerbegrenzung „im Interesse der Qualitätssicherung“?

von Rechtsanwalt Dietrich Jaser

Offenbar nach dem Motto „Man kann es ja mal versuchen, vielleicht merkt‘s ja keiner.“ agierte jüngst ein Landratsamt aus dem südlichen Baden-Württemberg. 

Antrag auf Zweigstellenerlaubnis

Eine Fahrschule hatte dort die Erteilung einer Zweistellenerlaubnis beantragt. Der Unterrichtsraum wies eine Grundfläche von 57 m2 auf. Der Rauminhalt betrug ein wenig mehr als 160 m3. Sämtliche weiteren gesetzlichen Anforderungen des § 3 Satz 2 i.V.m. Anlage 2 der Durchführungsverordnung zum Fahrlehrergesetz (FahrlGDV) waren erfüllt, sodass die Abnahme des Unterrichtsraums durch den (in Baden-Württemberg für die Fahrschulüberwachung zuständigen) Treuhandverein ohne jegliche Beanstandung erfolgte. 

Beschränkung der Teilnehmerzahl – Bestellung eines „Verantwortlichen Leiters“ für die Zweigstelle

Das Landratsamt erteilte nach Abnahme des Schulungsraums die Zweigstellenerlaubnis. Diese enthielt folgende Auflage: „Die maximale Anzahl der Teilnehmer im Schulungsraum wird auf 25 Personen beschränkt.“ Im darauf folgenden Satz wurde sodann der verantwortliche Leiter des Ausbildungsbetriebs der Fahrschule sogar noch „… zum Verantwortlichen Leiter der Zweigstelle bestellt.“

Letzteres erheiterte den Fahrschulinhaber, der sich dadurch auch noch zum verantwortlichen Leiter* der Zweigstelle befördert sah. Denn wie jeder Fahrlehrer weiß, gibt es nur einen verantwortlichen Leiter für den Ausbildungsbetrieb, nicht mehrere, schon gar nicht gesondert für Zweigstellen. Die Auflage mit der Teilnehmerbegrenzung fand er allerdings überhaupt nicht lustig. Denn ein Blick ins Gesetz sagte ihm, dass der Schulungsraum für 49 Fahrschüler ausreicht. 

Die Beschränkung der maximalen Anzahl der Teilnehmer im Schulungsraum auf 25 Personen begründete die Behörde so: „Die maximale Teilnehmerzahl ist im Interesse der Qualitätssicherung der Ausbildung der Fahrschüler auf 25 Teilnehmer begrenzt.“ Eine solche Regelung war dem Fahrschulinhaber bis dahin nicht bekannt. Vor allem im Fahrlehrergesetz (FahrlG), der FahrlGDV und der Fahrschülerausbildungsordnung (FahrschAusbO) suchte er eine solche Regelung vergeblich. 

Rechtslage

Die vergebliche Suche nach einer rechtlichen Grundlage für die Teilnehmerbegrenzung vermag nicht zu verwundern. Denn eine solche Regelung zur Beschränkung der Teilnehmeranzahl auf eine bestimmte Anzahl von Personen im Unterrichtsraum gibt es – abgesehen von derzeitigen temporären coronabedingten Verordnungen – tatsächlich nicht.

Weder das FahrlG noch die FahrlGDV, noch die FahrschAusbO enthalten eine Vorschrift, die eine von der Raumgröße unabhängige maximale Teilnehmeranzahl im Unterrichtsraum bei der theoretischen Ausbildung der Fahrschüler regelt. Eine solche Beschränkung ergibt sich lediglich indirekt aus § 3 Satz 2 i.V.m. Anlage 2 FahrlGDV. Danach sind vorgeschrieben: 

·eine Arbeitsfläche je Fahrschüler/Teilnehmer von 1 m²,

·eine Arbeitsfläche für Fahrlehrer und Platzbedarf für Lehrmittel von 8 m2 und

·ein Luftvolumen je Person von 3 m3.

Ausgehend von dieser Regelung ergibt sich für den oben genannten Unterrichtsraum eine höchstzulässige Anzahl von 49 Personen für den Unterricht. So hatte es der Treuhandverein auch zutreffend festgestellt. Eine Beschränkung der Teilnehmerzahl aus Gründen der Qualitätssicherung ist demgegenüber gesetzlich nicht geregelt.

Widerspruch und schnelle Entscheidung

Der Fahrschulinhaber legte gegen die Teilnehmerbegrenzung Widerspruch ein. Das Widerspruchsverfahren ist in Baden-Württemberg in fahrlehrerrechtlichen Angelegenheiten als sogenanntes Vorverfahren gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderlich. In einigen anderen Bundesländern, wie z.B. Bayern muss hingegen sogleich Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden, wenn sich Fahrlehrer gegen rechtswidrige Verwaltungsakte zur Wehr setzen wollen.

Bereits eine Woche nachdem der Widerspruch beim Landratsamt eingegangen war, erließ dieses einen Widerspruchsbescheid, in dem es zum großen Erstaunen des Fahrschulinhabers die Teilnehmerbeschränkung auf 25 wieder kassierte und mitteilte, es gebe keine gesetzliche Regelung, die dies rechtfertige (!) – mit den Worten: „Nach erfolgter nochmaliger Prüfung des Sachverhalts, kommt die Fahrerlaubnisbehörde … unter amtspflichtgemäßer erneuter Beurteilung der Sach- und Rechtslage zur Überzeugung, wonach vorliegend Ihrem Widerspruch im Sinne Ihres Widerspruchsbegehrens abgeholfen werden darf.

Gemäß § 3 Satz 2 FahrlGDV müssen die Unterrichtsräume nach Größe, Beschaffenheit und Einrichtung einen sachgerechten Ausbildungsbetrieb zulassen und der Anlage 2 entsprechen. In Anlage 2 wird bestimmt, wieviel Raum für einen Fahrschüler vorhanden sein muss.

Die Fahrerlaubnisbehörde legt auf Basis der einer Fahrschule zur Verfügung stehenden Räume bei der Erteilung der Fahrschulerlaubnis oder später fest, wieviele Fahrschüler maximal gleichzeitig in dem Unterrichtsraum unterrichtet werden dürfen […]. Eine Begrenzung auf 25 Teilnehmer aus Gründen der Qualitätssicherung ist gesetzlich nicht normiert.“

Genau das hatte der Fahrschulinhaber mit seinem Widerspruch moniert. Die Kosten für den beauftragten Rechtsanwalt muss nun die Staatskasse tragen. Dies wäre der öffentlichen Hand erspart geblieben, wenn sich der oder die zuständige Sachbearbeiter(in) Landratsamtes die gesetzlichen Regelungen vor Erteilung der rechtswidrigen Auflage und nicht erst nach Hinweis durch den Rechtsanwalt angesehen hätte – in Anwendung der allseits bekannten goldenen Regel: „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.“ Aber der Steuerzahler zahlt‘s ja.

* Die korrekte Bezeichnung lautet seit 2018: „die für die verantwortliche Leitung des Ausbildungsbetriebs bestellte Person“.  

Dietrich Jaser

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Spezialist für Fahrlehrerrecht

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